06 April, 2018

Lesbenautorin, leichtgemacht

Okay. Ich bin nicht stolz drauf, aber ich gestehe: ich lese Lesbenromanzen. Und nachdem ich mir das ganze Elend* lange genug angesehen habe ist mein Plan: ich schreibe jetzt selbst eine. Kann so schwer nicht sein, ich habe nämlich einige simple Regeln identifiziert, an die man sich halten muss und gut ist. Also bitteschön, hier ist sie, die

Anleitung für eine
kommerziell moderat erfolgreiche
08/15-Lesbenromanze

Hauptcharaktere: 
  • Aussehen: Hauptfigur 1 = feminin mit langen Haaren (Feminine LanghaarLesbe, FLL), Hauptfigur 2 = sportlich mit kurzen Haaren (Sportliche KurzhaarLesbe, SKL). Die SKL hat strahlend blaue Augen und es sollte mindestens alle 5 Seiten erwähnt werden, dass sie in irgendeiner Art und Weise stark ist- gerne die Hände, starke Hände sind immer gut.
  • Namen: mindestens eine (am besten die SKL) sollten einen männlich abkürzbaren Vornamen haben (Sam, Alex, Syd- je weniger Buchstaben desto besser).
  • Berufe: die ultimative Idealkombo ist eine Chirurgin (FLL) mit einer Polizistin / Feuerwehrfrau / Sanitäterin (SKL). Uniformen sind Trumpf!
  • Charakter: Die FLL ist unbedingt unnahbar, aber hat natürlich einen butterweichen Kern, die SKL ist treu, beharrlich, lebensbejahend. Man könnte auch sagen: Arschlochkatze meets Golden Retriever, they later (Spoiler!) have sex.
Nebencharaktere: 
Wen interessiert‘s. Aber es kann nicht schaden, der SKL einen generischen besten Freund (oder eine ziemlich butche Freundin) zu verpassen, der hier und da mal auftaucht. Dann kann man nämlich beim gemeinsamen Biertrinken aus einem InnenlebenMONOlog der SKL (sowas liest sich immer irgendwie seltsam) ein InnenlebenDIAlog machen, das wirkt so unheimlich viel lebensechter und voll nicht konstruiert.

Beliebte Plot-Bausteine:
  • Gegenseitiges Attraktivfinden.
  • Ein Klamottenmalheur, welches nackte Haut unvermeidbar macht.
  • Ein Date.
  • Weltbewegender Sex.
  • Eine geheime tragische, traumatische Vergangenheit. (FLL)
  • Ein Missverständnis. (möglicherweise eine Ex der SKL)
  • Leid!
  • Eine lebensgefährliche Situation.
  • Versöhnung.
  • Happy End.
Grob könnte man die Story so umreissen:

Die SKL und die FLL lernen sich kennen und finden sich sofort attraktiv. Die SKL wirft sich ran was das Zeug hält (aber natürlich charmant!), doch aufgrund ihrer traumatischen Vergangenheit will sich die FLL trotzdem von ihr fernhalten. Gelingt ihr bloß irgendwie nicht (man muss ja schließlich auf 300+ Seiten kommen), und deswegen verfrachte man die FLL gegen Ende des ersten Drittels unter einem fadenscheinigen Grund in die Wohnung der SKL, wo ihr ein Klamottenmissgeschick passiert- Rotwein drüber, zerrissen, egal. Interessiert eh keinen so wirklich, Hauptsache raus aus den Sachen, hallo nackte Haut, hallo begehrliche Blicke von SKL. Es ist wichtig, dass die FLL kleiner als die SKL ist, damit sie in deren Klamotten passt (die übrigens angenehm nach Waschmittel riechen, bitte nicht vergessen dies zu erwähnen) und kleinmädchenhaft süß und verletzlich wirkt. Wo sie doch sonst immer souverän-kalt-professionell-kontrolliert scheint!

Bei einer Slow-Burn-Romanze passiert jetzt außer den oben erwähnten Blicken von SKL an FLL nichts- zur höchsten Not eine totaaal versehentliche Berührung, die aber beiden gleichermaßen durch Mark und Bein fährt. Bei einer Not-so-slow-burn-Romanze wird jetzt halt das erste Mal gepimpert.

Sex oder kein Sex ist für den weiteren Plotverlauf nicht wirklich relevant, außer dass bei der einen Variante jetzt alle 20 Seiten irgendwie die Third Base erreicht wird. Liebe Lesbenautorin, keine Sorge, wenn die Protagonistinnen sich dabei an unpassenden Orten befinden- das ist heiss. (die Sex-Variante empfiehlt sich allerdings aus einem einfachen Grund: Plotlöcher werden einfach mal mit einer Sexszene übertüncht. Voilà!)

Irgendwann hat die SKL die sich ewig zierende FLL endlich weichgekocht und es folgt ein Date (ein richtiges, offizielles! Mit noch sexier Klamotten und Autotüraufhalten und Blumen und Parfum und Erröten und Blickkontakten und hach ja, the whole nine yards). Alles läuft großartig, und nun muss auch bei der Slow-Burn-Romanze ein Sex stattfinden (welcher natürlich der beste ist, den beide jemals hatten: erderschütternde Orgasmen direkt beim ersten Anlauf), denn danach –OH NEIN!- passiert auch schon ziemlich schnell…

DAS DESASTER!!! Wenn die FLL eine tragische Vergangenheit hat holt diese sie jetzt ein, oder man pömpelt sich irgendein Missverständnis an den Haaren herbei (zum Beispiel könnte eine bösartige Ex der SKL auftauchen und die FLL ertappt sie beide in einer vermeintlich kompromittierenden Situation, obwohl es natürlich nicht so ist wie es aussieht, weil die SKL sowas natürlich nie tun würde, also naja, früher vielleicht schon, weil sie hat ja schon nix anbrennen lassen früher, aber seitdem sie der FLL begegnet ist ist sei ein völlig neuer Mensch yadda yadda yadda). Achtung: bei der Variante "Missverständnis" ist es sehr wichtig, dass die Protagonisten keinesfalls miteinander darüber reden, wie es normale Menschen tun würden. Sonst könnten sie das Missverständnis aufklären und dann hätte man 3 Seiten später ja schon sein Happy End- aber wir sind erst Ende des 2. Drittels und müssen das noch auf ca. 100 Seite auswalzen. Wer möchte kann natürlich beide Varianten einbauen.

Ab hier wird gelitten- Liebeskummer, Selbstvorwürfe, falscher Stolz, Selbstmitleid, Alkohol, die FLL stürzt sich unweigerlich in ihre Arbeit und ist icequeeniger als jemals zuvor, man muss sich suhlen können in der Misere. Aber keine Angst! Denn just als das Leid am größten, alle Hoffnung verloren, und die Nacht am dunkelsten scheint gerät die SKL in eine lebensbedrohliche Situation (gut, wer sich an obenstehende Berufe gehalten hat) und die FLL erkennt, dass sie ziemlich dämlich gewesen ist. Die SKL entkommt dem Tod um Haaresbreite (nicht vergessen ihr dabei eine Narbe zu verpassen- aber sexy, nicht entstellend!), große Versöhnung, Kuss, evt. schnell noch ein Sex einbauen, Sonnenuntergang, Händchenhalten, Happy End.

Aber halt! Ganz so einfach ist es nicht- der Teufel liegt im Detail. Deswegen hier noch einige Regeln, die man unbedingt befolgen sollte:
  • Wiederholung ist der Schlüssel zum Erfolg: so kann zum Beispiel die Blauheit (Bläue? Blautonintensität?) der SKL-Augen gar nicht oft genug betont werden, oder seidig glänzende Haare, oder diese unwiderstehlichen Grübchen oder ...
  • Bei Hautkontakt durchfahren die Protagonistinnen Blitze. Sonst hat der Leser ja keine Chance zu kapieren, wie unfassbar krass die körperliche Anziehungskraft ist.
  • Beschreibungen, Beschreibungen, Beschreibungen! Die Lesbenromanzenleserin möchte bis in's letzte Detail wissen, wie die Inneneinrichtung der beiden Wohnungen aussieht (kleiner Tipp: etwas zusammengewürfelt aber warm und einladend bei der SKL, kalt, modern, teuer und spartanisch bei der FLL), oder was genau die Damen in jeder Situation tragen. Außerdem lässt sich so die Seitenzahl relativ mühelos von 250 auf 300+ steigern.
  • Blickkontakte dauern MINUTEN. Nicht am wahren Leben orientieren, wo so etwas "Staring Contest" heisst und einem schon nach 3 Sekunden anfangen die Augen zu tränen, oh nein. Diese Zwei hier lieben sich schließlich, bei denen ist sowas romantisch. 

So wie ich das sehe, kann nichts mehr schieflaufen, wenn man sich an diese Anleitung hält. Happy 08/15-Schreiben!

*Ausnahmen bestätigen die Regel. Im Verhältnis 1:20, würde ich sagen, aber es gibt sie.

25 September, 2017

"All that is necessary for the triumph of evil...


...is that good men do nothing."


Es ist letztendlich keine Überraschung, dreht mir aber nichtsdestotrotz den Magen um: eine rechte Partei zieht in den deutschen Bundestag, weil ca. 12 Prozent der Deutschen die Fehler unserer Großeltern und Urgroßeltern wiederholt haben.

Das Kind ist in den Brunnen gefallen- und jetzt? Jetzt liegt es an uns restlichen 88 %, diesem Beispiel nicht zu folgen.  

Unsere Vorfahren haben eine einzige Entschuldigung: sie wussten nicht, was noch kommen könnte. Diese Entschuldigung haben wir nicht. Jeder von uns, egal welches Schulsystem wir durchlaufen haben, hatte dieses Thema im Geschichtsunterricht. Wir wissen was passiert, wenn zu viele schweigen und dulden.

Also Arsch hoch. Raus aus Deiner Comfort Zone. Werde laut. Like, kommentiere, teile auch mal etwas mit politischem Inhalt, falls Du auf Facebook o.ä. bist. Sei nicht höflich, wenn jemand in Deinem Beisein braunen Scheiss von sich gibt, sondern mach den Mund auf und sei unbequem. Du hast Einfluss auf Deine Umgebung- glaube daran und nutze das. Die Geschichte zeigt: wählen gehen allein reicht nicht. Wir müssen besser sein als unsere Vorfahren, wir haben keine Entschuldigung. Und Kopf in den Sand stecken, warum? Wir sind 88 %.

Und denjenigen unter Euch, die gestern die AfD gewählt haben, möchte ich Folgendes sagen: nichts. Ihr seid es nicht wert, und bei Euch ist eh schon alles zu spät.